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Mit neuer Vergangenheit besser führen - die Kraft von Visionen in der Persönlichkeitsentwicklung

HAMBURGER UNTERNEHMER 1/2018: Jeder Unternehmer weiß um die Bedeutung von Visionen: Für die Entwicklung des Unternehmens braucht es klare innere Bilder, wie die Firma zukünftig aussehen und arbeiten soll. Bildhafte Vorstellungen sind allerdings auch ein machtvolles Tool zur Führungskräfteentwicklung. Mentaltrainerin Gabriela Friedrich erklärt, wieso insbesondere Visionen einer neuen Vergangenheit oft besser wirken als jedes zukunftsorientierte Training. 

Die Vergangenheit gilt gemeinhin als unveränderlich, Matthias B. und Julia V. wissen es jedoch besser. Sie haben neue Vergangenheiten – solche, die ihnen gut tun, sie stärken und die sie zu besseren Führungskräften machen. Wenn Matthias B. an seine Kindheit denkt, erscheinen vor seinem inneren Auge Szenen, in denen sich seine Eltern liebevoll um ihn kümmern, ihn loben, in seinem Tun bestärken und ihm Geborgenheit und Vertrauen ins Leben vermitteln. Es sind diese schönen Erinnerungen, die es Matthias B. leicht machen, seine Mitarbeiter souverän zu führen und ihnen große Entscheidungsspielräume und Verantwortung zuzugestehen. Doch dass Matthias B. mit solch innerer Sicherheit agiert, ist neu. Genauso wie seine Kindheitserinnerungen. Tatsächlich waren seine Eltern meist abwesend, und wenn sie präsent waren, hagelte es Kritik und den warnenden Hinweis, man dürfe niemandem trauen. Kein Wunder, dass sich Matthias B. auch an der Spitze des von den Eltern übernommenen Familienunternehmens häufig unsicher fühlte. Entscheidungen fielen ihm schwer, schließlich wollte er keinen Fehler machen. Und seine Belegschaft führte er an der kurzen Leine. Natürlich durfte kein Mitarbeiter etwas von seinen Ängsten und Selbstzweifeln merken, weshalb sich Matthias B. betont hart und dominant gab. Mit diesem Auftreten war er alles andere als ein angenehmer, motivierender Chef. Was tun? Ein Training? Nein, es gab eine bessere Lösung.

„Das ist okay, damit kann ich umgehen“, antwortete Julia V.s Mutter ganz entspannt, wenn ihre Tochter Wünsche äußerte oder unmissverständlich zu den Anliegen der Mutter „nein“ sagte. Und die Tochter fühlte sich damit stark genug, für ihre Bedürfnisse einzutreten bzw. sich bei Bedarf abzugrenzen. Doch auch dies war die Mutter aus einer neu erschaffenen Vergangenheit, die es Julia V. ermöglichte, ein störendes Muster ihres Führungsverhaltens los zu lassen. Sie gehörte nämlich eigentlich zu den Frauen, die sich für die Gefühle ihrer Mitmenschen verantwortlich fühlten. Dementsprechend schwer fiel es ihr Anweisungen zu geben, bei denen von vorneherein klar war: Ihre Mitarbeiter würden sie nicht mögen. Auch Bitten abzuschlagen oder heikle Feedback- sowie Kündigungsgespräche zu führen, war für sie ein Horror. Denn ihre echte Kindheit hatte sie mit einer passiv-aggressiven Mutter verbracht, die regelmäßig demonstrativ litt, wenn es nicht nach ihrem Kopf ging. Die Sorge, ihre sensible Mutter wieder zu kränken, war ständiger Begleiter in Julia V.s Kindheit und Jugend gewesen. Die Unternehmerin Julia V. brauchte deshalb eine Strategie, die ihr einen entspannten Umgang mit ihren Mitarbeitern auch in schwierigen Situationen ermöglichte. Die Lösung für Matthias B. und Julia V. war eine marktunübliche, doch wirkungsvolle Form des Mentaltrainings, die auch Sie für sich nutzen können.

Hintergrund: 

Unser Unterbewusstsein vermag nicht zwischen realen Bildern und Visualisierungen zu unterscheiden, weshalb Mentaltraining mit positiven Zielvorstellungen sowohl von Sportlern als auch von Managern gerne eingesetzt wird, um Spitzenleistungen zu erzielen. Unser Innerstes glaubt die konstruierten Erfolgsbilder und reagierte mit den dazu passenden Emotionen. Sogar der Körper hält die künstlich erzeugten Visionen für wahr, weshalb beispielsweise selbst rein mental durchgeführte Sportübungen eine Verbesserung der Fitness bewirken. Nicht so stark wie ein „echtes“ Training, es gibt aber tatsächlich einen messbaren Effekt. Mit diesem Wissen lässt sich dem Innersten auch suggerieren, negativ prägende frühere Erlebnisse loszulassen und durch positive neue Bilder zu ersetzen.

Vorgehensweise: 

Schritt 1: Entscheiden Sie, welche Überzeugung oder Handlungs- bzw. Gefühlsroutine Ihres Führungsverhaltens Sie verändern wollen.

Schritt 2: Erforschen Sie die Entstehungsgeschichte Ihres Problems. Schließlich hat jedes noch so störende Muster seinen guten Grund und folgt einer verborgenen Logik. Man muss sie nur entdecken. Welche Menschen, Erlebnisse oder Sätze haben Sie unbewusst geprägt und diese Facette Ihres Führungsverhaltens verursacht? Häufig ist die Antwort in den ersten fünf bis sechs Lebensjahren oder in der Teenagerphase zu finden, aber auch besonders emotionsgeladene Erfahrungen im Erwachsenenalter vermögen hinderliche Konditionierungen zu verursachen. 

Schritt 3: Treffen Sie die bewusste Entscheidung, einen prägenden Aspekt aus der Vergangenheit loszulassen und frei von seinen Auswirkungen zu sein. 

Schritt 4: Überlegen Sie sich, welche Botschaften oder Erfahrungen als wohltuender Gegenentwurf zu Ihrer problemhaften
Vergangenheit passend wären. Entwickeln Sie das Drehbuch einer neuen Vergangenheits-Szene mit der jeweiligen Person. 

Schritt 5: Lassen Sie die Bilder Ihrer neuen, stärkenden, befreienden Vergangenheit immer wieder wie einen Film vor dem inneren Auge ablaufen, bis Sie sich damit identifiziert haben.

 

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen, glücklichen Vergangenheit und deren wohltuender Wirkung.