„Polo ist wie Golfen bei einem mittleren Erdbeben.“

Direkt am Osdorfer Born liegt Deutschlands Top-Adresse für Polo-Enthusiasten und solche, die es nach ersten zaghaften Versuchen garantiert werden: die WIN PoloSchule, gegründet und geführt von Polo-Profi Thomas Winter. Gabriela Friedrich hat sich bei ihm umgesehen.

Einmal von der Hauptverkehrsader Rugenbarg abgebogen, und ich bin in einer anderen Welt. Felder, Weiden, Knicks. Pure Landidylle, keine 20 Minuten von der City entfernt. Jetzt ist es nur noch ein Katzensprung bis zum hohen, schweren Metalltor der Poloschule. Ein Druck auf die Klingel, schon lässt man mich ein. 

Ein Pferdepfleger stellt seinen Besen beiseite und nimmt sich meiner an. Führt mich vorbei an unzähligen neugierig aus ihren Boxen lugenden Pferden. Wie ich später erfahren werde, stehen hier in der Hauptsaison rund 200 Pferde aus aller Herren Länder, um in diesem Leistungszentrum des Polosports trainiert zu werden und an Turnieren teilzunehmen. Doch noch sind die Ställe vorrangig von den hauseigenen Schulpferden, Zuchtstuten mit ihren neugeborenen Fohlen und einigen Spring- und Dressurpferden bevölkert. 

Familienteamwork zu Pferd

Ein kurzer Zwischenstopp in der Reithalle, wo sechs Polopferde ihr sorgfältig konzipiertes Konditionstraining absolvieren, dann stehe ich endlich Deutschlands bestem Polospieler Thomas Winter gegenüber. Bodenständig, kernig, sympathisch und gewissermaßen auch ein Familienunternehmer. Denn generationenübergreifendes Teamwork gehört zu seinem Alltag. Poloschule und Gestüt leitet er gemeinsam mit seiner Mutter – „ohne jeden Stress, wir ticken ganz ähnlich“, wie er berichtet. Zur Harmonie trägt auch die klare Aufgabenteilung bei: Die Mutter kümmert sich um die Schulpferde, der Sohn um den Unterricht. Auch das Polospiel ist bei den Winters eine Familienangelegenheit: Vater Klaus blickt auf eine fast 50- jährige Polokarriere zurück und hat sich erst im Jahr 2016 aus dem Sport zurückgezogen. Thomas Winters Brüder Oliver und Christopher sowie sein Neffe Julien sind ebenfalls exzellente Spieler. Doch wenn die Winters als Team zusammen spielen, scheppert es untereinander schon mal. „Ja“, bekennt Thomas Winter entwaffnend ehrlich, „wenn ein Familienmitglied auf dem Platz einen Fehler macht, ist mein Ton schon schärfer als bei einem Fremden.“ Trotzdem – oder gerade deswegen – haben die Winters als einzige Familienmannschaft jemals eine Deutsche Polomeisterschaft gewonnen.

48 Stunden pro Tag Polo

Auch eine Poloschule will unternehmerisch geführt sein. Wie gut, dass Thomas Winter abgeschlossener Betriebswirt ist und jahrelang als Projektmanager komplexe Bauprojekte verantwortete. Letzteres mit großer Begeisterung, denn, wie er sagt, liebt er es zu organisieren. Ohne perfekte Organisation ließen sich seine zahlreichen Aktionsfelder auch nicht managen. Winter ist Bundestrainer der Deutschen Polo Nationalmannschaft und verantwortlich für den Deutschen Jugendkader, spielt selbst auf Top-Niveau weltweit, ist der erfolgreichste deutsche Polospieler überhaupt, trainiert internationale Profi- und Amateurspieler in Deutschland und auf Mallorca, berät europaweit bei Planung und Bau von Polo-Anlagen, betreibt einen Shop, das Gestüt, den Pensionsstall und eine Reitschule für Kids, Jugendliche und Erwachsene. Er veranstaltet Polo Jugend-Camps, bildet Polopferde aus und hilft verzweifelten Besitzern von Problempferden. Für Unternehmer besonders interessant sind seine Polo-Incentives, bei denen sogar Mitarbeiter ohne Reitkenntnisse bereits am Nachmittag ihr erstes kleines Turnier austragen – wenn auch eher im Schritt oder Trab, doch garantiert voller Begeisterung. Gemeinsam mit einem befreundeten Mentaltrainer veranstaltet Thomas Winter außerdem pferdegestützte Führungskräftetrainings. Und dann beanspruchen natürlich auch noch seine Ehefrau und die vierjährige Tochter einen Teil seiner Zeit.

Wie er all das schafft und dabei locker und entspannt bleibt? Keine Ahnung – sicherlich hilft es, dass er mit Leib und Seele liebt was er tut und als Führungskraft zu delegieren und zu motivieren versteht: die Poloschule lebt von flachen Hierarchien und engagierten, mitdenkenden Mitarbeitern. Bereits in 2003 erwarb Thomas Winter in England den höchsten Ausbilderstatus im Polosport, der, wie es scheint, auch bei der Menschenführung im Unternehmen recht nützlich ist.

Polo für jedermann

Zugegeben – wer bei den großen, international besetzten Poloturnieren erfolgreich sein will, investiert auch in diesen Sport - vor allem auch viel Zeit: wenigstens vier eigene Pferde, das Training und die Transporte der Pferde deutschlandweit und ins Ausland machen diesen Bereich tatsächlich zu einem Profi-Sport. Für ihre Passion bringen diese Spieler – fast alle deutschen Polospieler sind Amateure – viel Zeit auf, halten sich das ganze Jahr über körperlich fit. Der Einstieg ins Polo als Freizeitspaß mit Kick ist dafür absolut erschwinglich und vom Aufwand mit vielen anderen Sportarten vergleichbar. „Bei uns spielen Studenten, Angestellte, Unternehmer und Manager“, berichtet Winter. Wer den Sport kennen lernen möchte, benötigt weder eine eigene Ausrüstung noch ein Pferd, alles wird in der Win PoloSchule gestellt. Winters Erfahrung: „Insbesondere ambitionierte Menschen packt der Polo-Virus sofort.“ Schließlich gilt es beim Polo, eine ganze Reihe von Herausforderungen gleichzeitig zu meistern: Vom Pferderücken aus muss der kleine Ball mit dem Poloschläger getroffen werden, sogar im Getümmel oder im gestreckten Galopp. Oder wie ein Spieler es ausdrückte: „Polo ist wie Golfen bei einem mittleren Erdbeben.“ Man stimmt sich permanent mit den Teamkollegen ab, entscheidet und agiert blitzschnell, wobei ein komplexes Regelwerk zu befolgen ist. Selbst in den kompetitivsten und härtesten Spielsituationen gilt es, sich der Verantwortung für den Partner Pferd bewusst zu bleiben. Damit ist Polo ein reizvoller Sport, dessen Lektionen in vielen Lebens- und Berufsbereichen anwendbar sind.  

Zu anstrengend? Passiv-Sportler und Pferdeliebhaber können auf dem Poloplatz in Klein Flottbek rasante Turniere verfolgen. Ein entspannter Familienspaß für Eltern, Großeltern, Kinder und viele, viele Hunde.

Fotos: Bernhard Willroth