Zur Existenz gehört auch der Tod – unausweichlich. Wenn unsere Angehörigen an der Schwelle zum Tode stehen oder bereits von uns gegangen sind, fühlen wir Trauer und Schmerz. Doch gar
nicht selten mischen sich da hinein auch Ohnmacht, Schuldgefühle oder Groll. Diese können das Leben der Zurückgebliebenen noch Jahrzehnte nach dem Todesfall überschatten. Hier erhalten Sie
Denkanstöße, wie es gelingt, solche emotionalen Belastungen los zu lassen und Frieden zu finden.
Um mit einem Menschen und dessen Ableben im Frieden sein zu können, braucht es oft Aussprachen. Gespräche, in den man Dinge klärt, für Versäumnisse um Verzeihung bittet oder dem anderen seine
Fehler vergibt. Doch nicht immer ist dies möglich. Wenn eine Demenz die mentalen Fähigkeiten bereits stark eingeschränkt hat, das Ableben plötzlich und überraschend eingetreten ist oder die
Persönlichkeitsstruktur des Verstorbenen jede Einsicht und jede Versöhnung zu Lebzeiten verhindert hat, fällt es oft schwer, abzuschließen und Frieden zu finden. In den Corona-Jahren waren es
insbesondere die strikten Maßnahmen in Krankenhäusern und Pflegeheimen, die dazu geführt haben, dass viele Alte in ihren letzten Lebenswochen und vor allem auch beim Sterben ohne ihre Familien
waren. Nicht einmal die Beerdigungen konnten angemessen feierlich stattfinden. Seitdem stellen sich viele Angehörige die Frage, ob sie nicht mehr für das geliebte Elternteil hätte tun oder ihm
ein würdigeres Ableben hätten ermöglichen können. Solches Grübeln geht oft einher mit massiven Schuldgefühlen.
Doch es gibt mentale Techniken, um sich von Schuld, Groll oder Unausgesprochenem zu befreien und Frieden zu finden:
1. Vergebung durch den Verstorbenen: Nur weil jemand tot ist, bedeutet dies nicht, dass man mit ihm keinen Dialog führen kann. Stellen Sie sich vor, wie die verstorbene Person
vor Ihnen steht. Sie können ihr alles sagen, was Sie belastet oder was Sie ihr gerne noch zu Lebzeiten gesagt hätten. Dass es Ihnen leid tut, dass Sie sie lieben … Dann stellen Sie sich die
Antworten vor. Hören Sie, wie sie Ihnen erklärt, sie wisse, dass Sie sich bemüht haben und dass Sie sie geliebt haben. Sehen Sie die Person vor Ihrem inneren Auge - befreit von der Last des
Alters und ihrer Krankheiten. Es geht ihr gut, sie ist im Frieden, und sie wünscht sich von Herzen, dass auch Sie diesen Frieden finden.
2. Selbstvergebung: Machen Sie sich bewusst, dass Sie zu dem damaligen Zeitpunkt in der damaligen Situation Ihr Bestes gegeben haben. Äußere Umstände oder Ihre damaligen inneren
Begrenzungen haben nicht mehr zugelassen. Es kann natürlich auch sein, dass Sie tatsächlich einen Fehler gemacht haben. So oder so – es ist in Ordnung, endlich mit den Selbstvorwürfen aufzuhören,
die Schuldgefühle loszulassen und sich voll und ganz zu vergeben.
3. Erinnerungsbilder: Vielleicht kennen Sie aus dem NLP die Vorgehensweise, negative Bilder durch schöne, stärkende Bilder zu ersetzen. Dies können Sie nutzen, falls Sie beim
Sterben des geliebten Menschen mit einem Anblick konfrontiert wurden, der Sie noch umtreibt. Suchen Sie Fotos heraus, die den Menschen in der Blüte seiner Jahre zeigen und konzentrieren Sie sich
wieder und wieder auf diese Bilder, bis die anderen Bilder in Ihrem Gehirn überschrieben sind.
Mit ähnlichen inneren Dialogen und Visualisierungen können Sie sich auch von der Wut auf eine längst verstorbene Person befreien. Beispielsweise erlebe ich es häufig in meinen Coachings, dass
erwachsene Kinder ihren toten toxischen Eltern noch grollen und in diesen Gefühlen gefangen sind, weil es zu Lebzeiten niemals Gelegenheit gab, die Eltern mit all der Wut, dem Schmerz und der
Enttäuschung über das lieblose Verhalten zu konfrontieren. Glücklicherweise kann unser Innerstes nicht zwischen realen und konstruierten Bildern unterscheiden, weshalb es sehr befreiend wirkt,
sich solch eine Aussprache postum vorzustellen – mit offen verbalisierter Wut Ihrerseits, aufrichtiger Reue und der Bitte um Verzeihung vonseiten der Eltern und Ihrer Vergebung gegenüber den
Eltern.
Zum Schluss noch etwas, das eventuell in der Trauerphase helfen kann: Wenn mich Klienten bitten, sie in ihrem Herzschmerz zu unterstützen, stelle ich ihnen irgendwann diese Frage: „Haben Sie nach dem Tode schon ein Zeichen erhalten?“ Fast jeder bejaht dies. Mal waren es flackernde Lichter bei der Beerdigung, mal Träume, die sich irgendwie realer anfühlten als normale. Sie rochen plötzlich den Duft der verstorbenen Person, fühlten deren Präsenz oder hörten deren Stimme im Innersten ihres eigenen Kopfes. Niemand kann definitiv sagen, ob es sich hierbei um Einbildungen handelt oder ob nach dem Tode doch noch etwas weiter existiert. Doch wer sich für die zweite Variante entscheidet, findet großen Trost in dem Gedanken: „Die geliebten Verstorbenen sind nicht weg, sie sind nur anders.“