Hallo, mein Name ist Gabriela Friedrich und ich freue mich, heute mit euch über das Thema Mitgefühl, vor allem aber Selbstmitgefühl sprechen zu dürfen. Oder plakativer: Das heutige Thema lautet:
„Mein Freund das Hirn.“
Eigentlich sind es zwei Hirne, um die es hier geht. Das in eurem Kopf und das in eurem Herzen. Das Herz ist nämlich nicht nur eine Blutpumpe, sondern die Wissenschaft hat festgestellt, dass sich
im Herzen ein Gebilde aus ca. 40.000 Gehirnzellen befindet und dass Hirn und Herz im regen Informationsaustausch miteinander stehen, wobei etwa fünfmal so viele Informationen vom Herzen zum Hirn
gehen wie umgekehrt. Wenn ich also im Rahmen dieses kleinen Vortrags Hirn sage, meine ich also eigentlich alle relevanten Systeme, insbesondere auch das Herz
Ja, Herz – da denkt man an liebevoll sein, nett sein. Der Lebensbereich, in dem die wenigsten Menschen nett mit sich umgehen (oder mit ihrem Hirn), ist Veränderung. Bestimmt habt ihr das auch schon erlebt: Ihr habt euch fest vorgenommen, endlich etwas an eurem Verhalten, euren Gedanken oder Gefühlen zu ändern – Dinge zu tun, die ihr euch eigentlich nicht zutraut, nicht mehr bei Stress zu Schokolade zu greifen, ordentlicher und besser organisiert zu werden - was auch immer.
Wie reden Menschen in so einer Situation, wenn sie da Schwächen entdeckt haben, die abgestellt werden sollen, mit sich? Erschreckend viele machen sich erstmal nieder (wie blöd von mir, ich hätte das nicht tun dürfen, was bin ich für ein Versager ) oder sich unter Druck zu setzen (ab heute muss sich das ändern). Und dann wundern sie sich, dass ihr Hirn so gar keine Lust bekommt, zu tun, was sie von ihm möchten, und einfach nur bockig mit verschränkten Armen da sitzt und „nö – so nicht mit mir“ sagt.
Was also tun, wenn man Hirne zur Kooperation motivieren will? Der Schlüssel ist Mitgefühl, was bedeutet, ganz bewusst und achtsam alles wahrzunehmen, was in uns vorgeht, nichts zu be- oder
verurteilen und geduldig und sanft mit dem Innersten zu reden. Damit ist das Allerwichtigste auch schon gesagt.
Ich habe mitfühlenden Hirn-Umgang aber für euch noch mal ausführlicher in 5 Punkten zusammengefasst!
1. Gutes Timing
2. Bedingungslose Akzeptanz
3. Verstehen wollen
4. Störungen haben Vorrang
5. Babyschritte
1. Gutes Timing:
Ist das Hirn, um das es gerade geht, überhaupt in der Verfassung zuzuhören? Oder ist es viel zu müde, abgelenkt, gestresst – was auch immer? Wenn ich mitfühlend bin, dann wähle ich eine Zeitpunkt, an dem es aufnahmebereit ist, und quatsche es nicht einfach störend von der Seite an.
2. Bedingungslose Akzeptanz:
So ein Hirn hört viel lieber zu, wenn es sich grundsätzlich mit all seinen Problemen, Macken und Eigenheiten akzeptiert und wertgeschätzt fühlt. Das geht uns allen so – warum sollte das bei unserem Innersten anders sein? Das wissen übrigens auch gute Verkäufer, die eine Atmosphäre schaffen, in der dem Kunden selbst das blödeste Problem oder Anliegen nicht mehr peinlich ist. Deshalb ist es insbesondere für (selbst)kritische Menschen ein guter erster Schritt, das Hirn-Gespräch mit einer Formulierung oder einer inneren Einstellung zu beginnen, die rüberbringt: „Obwohl ich dieses Problem habe, mag/liebe und akzeptiere ich mich so wie ich bin.“ Das ist ein Satz, der sich in der Klopfakupressur bewährt hat und oft schon ganz entspannend und lösend wirkt. Schließlich sind viele von uns getrieben von Perfektionismus und etwas, das ich Superschnuffelwahn nenne: Das ist die Überzeugung nur dann wertvoll zu sein, wenn man alles immer perfekt im Griff hat, erfolgreich und schön ist, frei von Fehlern und Schwächen – ein Superschnuffel eben. Schwächen und Macken darf man sich da nicht zugestehen, weil sie beweisen: Man ist nicht gut genug! Mitfühlend ist es aber, zu wissen: Ich bin immer wertvoll – egal, welche Macken ich habe.
3. Verstehen wollen:
Fast jedes noch so bekloppte Verhalten folgt einer verborgenen Logik – man muss sie nur verstehen wollen. Oft sind es Konditionierungen, nicht selten aus der Kindheit, die uns bewusst werden, wenn wir unserem Hirn signalisieren, es endlich mal ohne Bewertung einfach verstehen zu wollen. Fragt es doch mal: „Warum denkst, fühlst oder handelst du eigentlich so? Du hast bestimmt einen guten Grund dafür. Sag mal – ich hör dir zu, ohne zu werten. “
„Echt jetzt?“ Das mag das Hirn und präsentiert plötzlich erstaunlich bereitwillig, was hinter den Problemen steckt: Emotionale Verletzungen, prägende Erfahrungen, verinnerlichte Sätze von Familienangehörigen oder non-verbal vermittelte Botschaften, die für Selbstbild und Weltbild verantwortlich sind.
Ein praktischer Tipp hierzu: Schreiben hat sich als ein exzellentes Mittel erweisen, um auch die Türen des Unbewussten zu öffnen. Alle Glaubenssätze und Gefühle, alte Erinnerungen, prägende Erlebnisse usw. frei von jeder Bewertung auf das Papier fließen zu lassen, fördert oft Erstaunliches zutage. Das macht nicht nur die eigenen Themen erklärbar, sondern liefert auch wertvolle Ansatzpunkte für ihre Veränderung.
4. Störungen haben Vorrang:
Jeder Trainer kennt diesen Satz: Alle Störenfriede müssen erst mit ins Boot geholt werden, damit das Training erfolgreich weitergeführt werden kann. Das gilt für die Quertreiber in unserem Hirn ganz genauso. Dafür ist es aber erforderlich, ihnen erst einmal mitfühlend zuzuhören. Dann erzählen sie uns vielleicht, dass sie Angst vor der Veränderung haben, oder glauben den Erfolg nicht zu verdienen. Oder sie sehen massive Vorteile in dem problemhaften Verhalten, die sie nicht aufgeben wollen. Oder sie können sich gar nicht vorstellen, dass die Veränderung überhaupt möglich ist. Nehmen wir all dies wahr und ernst, können wir die Einwände entkräften und so mit dem Hirn sprechen, dass es sich wohl und sicher fühlt. Bestehen beispielsweise Zweifeln daran, das Gute zu verdienen, könnten wir uns sagen: „Ich bin bereit für möglich zu halten, dass ich es verdiene … zu sein.“
5. Babyschritte:
Grundsätzlich ist es ein Akte des Mitgefühls, dem Hirn immer nur Veränderungsschritte abzuverlangen, die so groß oder klein sind, dass es sie gut gehen kann und sich sicher und wohl damit fühlt. Alles andere ist nicht Tierquälerei, sondern Hirnquälerei. Wenn wir fühlen, dass unser Hirn das Problem, was wir verändern wollen, als geradezu übermächtig empfindet, sprechen wir mit ihm in Sätzen, denen es trotzdem zustimmen kann:
Beispiel: „Ich bin bereit für möglich zu halten, dass es mir gelingt, 1 Prozent von diesem Problem loszulassen und frei davon zu sein.“
„Ich erlaube mir mich davon überraschen zu lassen, wie leicht es mir fällt, 5 Prozent dieses Problems loszulassen und frei davon zu sein.“
1 mickriges Prozent – da geht das Hirn mit. 5 Prozent – aber ja doch, das ist gut machbar. Und so weiter, bis ihr bei 100 Prozent seid.
Das sind übrigens Beispielsätze meiner Mentaltechnik (S)HE – (Self) Hypno Empwerment, die unter anderen darauf beruht, immer zu fühlen, wie es dem Hirn geht und was es in welchem Tempo braucht, um die erforderlichen Veränderungsschritte bereitwillig und leicht machen zu können. Und weil ich es gerne noch effektiver mag, kombiniere ich diese Art des Hirn-Talks noch mit einem Anti-Virenprogramm fürs Hirn, das sozusagen eigenmächtig im Unterbewusstsein Konditionierungen löst. Für mitfühlenden Hirn-Umgang ist es aber nicht zwingend erforderlich.
Und wenn man erstmal die Komplexität der eigenen Innenwelt mit all ihren verborgenen Ursachen komischer Reaktionen, Ambivalenzen und Widersprüchen kennen und anzunehmen gelernt hat, wenn man gelernt hat, die eigenen Gefühle und Gedanken ganz bewusst wahrzunehmen und achtsam und geduldig mit sich umzugehen, weil es anders einfach nicht funktioniert, wird man auch anfangen, mehr Verständnis für seine Umwelt aufzubringen, denn Selbstmitgefühl ist das beste Empathietraining.
So, und jetzt wünsche ich euch noch ganz viel Spaß mit eurem und anderen Hirnen!
Danke!